Interview mit Angela Stöger-Horwath

19.03.2024

Angela Stöger-Horwath - Netzwerkmitglied des Vienna CogSciHub - war im WWTF Call "Life Sciences 2023 - Understanding Biology with AI/ML" erfolgreich und hat uns Fragen zum Projekt und darüber hinaus beantwortet.

Mit welchen Fragen beschäftigt ihr euch in diesem Projekt?

Im Rahmen dieses interdisziplinären Forschungsprojektes soll die Kommunikation der Elefanten mittels künstlicher Intelligenz (KI) entschlüsselt werden. Mit ihren Rufen übermitteln Elefanten wichtige biologische Informationen (über das rufende Individuum bis hin zum Kontext), doch die variablen Laute unterscheiden sich in zahlreichen akustischen Aspekten. Es ist derzeit nicht bekannt, wie und wo genau diese Information in der komplexen Struktur der Laute akustisch codiert ist. Unsere Hauptfrage ist: Können wir mittels KI ihre Kommunikationsmuster im Detail besser verstehen?
Dazu werden neue akustische Modelle der Lautproduktion und -wahrnehmung in Kombination mit maschinellen Lernmethoden auf einem der größten verfügbaren Datensätze von Lauten von afrikanischen Savannenelefanten, angewendet.

Welche Ergebnisse erwartet ihr?

Ziel ist die Entwicklung von Computermodellen, die die Lautproduktion und Wahrnehmung simulieren (wir haben schon recht gute Daten zur Schallproduktion und auch zum Hörvermögen und Schallwahrnehmung). In simulierten Experimenten sollen dann mittels KI akustische Signaturen identifiziert werden, die für die Kommunikation von Elefanten relevante Informationsträger sind. Die aus den Simulationen gewonnenen Hypothesen zur Informationskodierung werden dann empirisch mit Elefanten im Freiland validiert.
Wir erwarten, dass wir die Kommunikationsmuster dieser Tiere zumindest teilweise entschlüsseln, beziehungsweise ein besseres Verständnis für die Art der Informationskodierung zu erhalten.

Auf welchen Annahmen basiert das Projekt und welche Erwartungen habt ihr?

  1. Welche Anwendungsfälle und Nutzen seht ihr?
    Um das Überleben von Elefanten in einer zunehmend von Menschen dominierten Welt zu sichern, müssen wir ihr Verhalten und damit ihre Kommunikationsmuster verstehen. Denn die Art und Weise wie die Tiere miteinander kommunizieren, gibt uns einen Einblick in ihre Denkweise und Entscheidungsfindung.

  2. Wenn ihr Zeit und Ressourcen hättet: In welche Richtung würdet ihr diese Forschungslinie gerne weiterentwickeln?
    Wir würden gerne der Frage nachgehen: können wir mit Elefanten „kommunizieren“? Können wir mit unseren synthetisch generierten Lauten (sozusagen mit unserer ElefantenSiri), gezielt Informationen an die Tiere übermitteln?

Wie seid ihr auf die Forschungsidee gekommen und wie ist das konkrete Projekt entstanden? Gibt es etwas, das den Austausch besonders gefördert und die Antragstellung ermöglicht hat?

Das Team arbeitet schon länger zusammen. Unser Niederösterreichischer Projektpartner Prof. Matthias Zeppelzauer (anm: FH St. Pölten) ist ein langjähriger Kooperationspartner von A. Stoeger; Wie hatten bereits 2011-2014 ein gemeinsamen vom FWF gefördertes Forschungsprojekt zur „Automatischen Analyse von Elefantenlauten“. Damals ging es darum, Elefantenlaute automatisch zu detektieren, mit dem langfristigen Ziel der Entwicklung eines automatischen Elefantenfrühwarnsystem (welches die weitreichenden und tieffrequenten Elefantenlaute detektiert) und welches Menschen die in der Nähe von Elefantenhabitaten leben, darüber informieren soll, dass sich Elefanten in der Nähe befinden. Wir hoffen, dass dadurch einige Unfälle mit diesen Tieren verhindert werden könnten. Die wissenschaftliche Grundlage für dieses System haben wir erarbeitet, aber es braucht Verbesserung, Training und Testphasen, bevor ein derartiges System tatsächlich zur Anwendung kommen kann. Wir hatten dann seit 2014 keine Gelder mehr dafür. Das jetzige Projekt wird sicherlich auch dazu führen, dieses angedachte Frühwarnsystem besser zu etablieren.

Das Team Angela Stoeger, Matthias Zeppelzauer und Peter Balazs (anm: Leiter Fachbereich Mathematik an der ÖAW) an hatte auch schon einen Antrag eingereicht, wo es darum ging, den Einfluss von anthropogenem Lärm auf die Kommunikation und das Verhalten der Elefanten zu untersuchen. Dieses Projekt wurde nicht bewilligt, aber all diese Vorarbeit floss natürlich auch in den jetzigen Antrag ein. Zudem haben wir durch die Vorarbeiten bereits eine gute interdisziplinäre Kommunikations-und Arbeitsstruktur entwickelt. Sich gegenseitig zu verstehen, die methodischen Ansätze und Denkweisen der jeweiligen andren Disziplinen (zumindest grundlegend) zu verstehen, ist bei interdisziplinären Projekten essentiell.

Welche Disziplinen sind beteiligt und welche Rolle spielt Interdisziplinarität, wo ordnet sich euer Projekt in die kognitionswissenschaftliche Forschung ein?

Es arbeiten insgesamt drei Arbeitsgruppen miteinander: die Biologie (Verhaltens und Kognitionsbiologie), Practical computer science, und Akustik

Welche Methoden werdet ihr einsetzen?

Maschinelles Lernen (Neuronale Netzwerke „deep neuronal networks“), sound recognition (Ton- bzw Spracherkennung – angepasst an Elefanten) und Schallsynthese; Lautklassifikation,

Die aus den Simulationen gewonnenen Hypothesen zur Informationskodierung werden dann empirisch mit Elefanten im Freiland validiert Sprich: Wir werden Playbackexperimente im Freiland mit wilden Elefanten durchführen, um die auf Computer Modellen basierten Hypothesen zu testen. Dieser Ansatz repräsentiert eine revolutionär neue Vorgehensweise in der Bioakustik, indem Hypothesen erst durch datengetriebene Simulation generiert werden und diese dann empirisch getestet werden.

Welche Erkenntnisse über kognitive Prozesse beim Menschen erhofft ihr euch von eurer Forschung?

Konkret keine speziellen.

(Wie) Hilft uns das Verständnis tierischer Kommunikation, menschliche Kommunikation zu verstehen?

Ich denke hier geht es vor allem um den vergleichbaren Aspekt um die Evolution der menschlichen Sprache besser zu verstehen. Warum haben gerade wir Menschen eine so hochentwickelte Form der akustischen Kommunikation?  Wo liegen Ähnlichkeiten oder die Unterschiede zu anderen Kommunikationsformen im Tierreich? Elefanten gehören zu den wenigen Säugetiergruppen die in der Lage sind Laute zu imitieren (sie sind sogenannte Vokale Lerner, so wie wir Menschen, nicht aber unsere nächsten Verwandten, Menschenaffen oder andere Primaten). Warum haben wir diese Fähigkeit, und Elefanten oder auch Wale und Delfine, nicht aber andere Primaten. Das ist eine hochspannende Frage der vergleichenden Kognitionsbiologie.
Das Kommunikationssystem der Elefanten ist wie unseres sehr flexible und plastisch, sehr variable, es scheint wie unseres ein „offenes Kommunikationssystem“ zu sein. Auch Elefanten wandeln Laute ab, modifizieren sie, kreieren neue Töne oder Laute, und scheinen sie zu verwenden.  Hier gibt es grundlegende Ähnlichkeiten zur menschlichen Sprache.

Was hat euer Projekt eurer Meinung nach so konkurrenzfähig gemacht, wie habt ihr den WWTF überzeugt?

Ein wichtiger Teil war die bereits etablierte interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit gemeinsamen Vorarbeiten und Publikationen. Dadurch konnten wir zeigen, dass wir als Team funktionieren und bereits erfolgreich zusammengearbeitet haben.  Wir konnten den Mehrwert, der durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit entsteht, gut argumentieren. Gelichzeitig ist jeder PI auf seinem Gebiet führend und etabliert. Und ich wiederhole mich: viele versuchen derzeit mittel KI verschiedenste Tiersprachen zu „entschlüsseln“. Aber wir gehen auch den nächsten und essentiellen Schritt: Die aus den Simulationen gewonnenen Hypothesen zur Informationskodierung werden dann empirisch mit im Freiland validiert. Es ist dieser Schritt, der uns von den anderen Projekten dieser Art unterschiedet. Denn dieser Ansatz repräsentiert eine revolutionär neue Vorgehensweise in der Bioakustik, indem Hypothesen erst durch datengetriebene Simulation generiert werden um diese dann empirisch zu testet.

Welche Tipps habt ihr für Jungforscher*innen, wenn sie sich im Bereich der interdisziplinären Forschung durchsetzen wollen?

Junge Forscher sollten stets über den Tellerrand hinausschauen und versuchen, auch andere Disziplinen zu verstehen. Das Networking ist wichtig, um zu verstehen, dass man im Team immer besser ist. Wissenschaft ist keine „One-women“ oder „one-man show“. Das bedeutet auch, dass man selbst nicht alles können muss, aber man muss das richtige Team bilden und mit den Kolleginnen und Kollegen gut zusammenarbeiten können.


Dr. Angela Stöger-Horwath, Priv. Doz.

Angela Stöger beschäftigt sich mit der akustischen Kommunikation von Säugetieren, der Schallproduktion, der in den Tierlauten kodierten Information bis hin zur funktionellen Relevanz der Signale. Sie arbeitet seit 20 Jahren mit Afrikanischen und Asiatischen Elefanten, bei denen sie sich insbesondere mit ihrer Fähigkeit des vokalen Lernens beschäftigt. Sie leitet aber auch Studienprojekte zum Verhalten und der Kommunikation von Löwen, Wildhunden, Geparden, Seekühen, Klippschliefern und Erdmännchen.

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© Angela Stöger

Priv. Doz. Dr. Angela Stöger-Horwath ist Leiterin Mammal Communication im Fachbereich Biologie am Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Netzwerkmitglied des Vienna Cognitive Science Hub.

 

Angela Stöger beschäftigt sich mit der akustischen Kommunikation von Säugetieren, der Schallproduktion, der in den Tierlauten kodierten Information bis hin zur funktionellen Relevanz der Signale. Sie arbeitet seit 20 Jahren mit Afrikanischen und Asiatischen Elefanten, bei denen sie sich insbesondere mit ihrer Fähigkeit des vokalen Lernens beschäftigt. Sie leitet aber auch Studienprojekte zum Verhalten und der Kommunikation von Löwen, Wildhunden, Geparden, Seekühen, Klippschliefern und Erdmännchen.

 

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